Zwischenbericht
Bekanntlich besteht in der Mainstraße 121 ein Problem mit Legionellen im Trinkwasser. Legionellen sind Bakterien, die sich in jedem Wasser befinden. Unter bestimmten Bedingungen (geringe Wasserzirkulation und Wassertemperatur zwischen 30°C und 55°C) können sich diese Bakterien stark vermehren. Die folgende Abbildung 1 zeigt den Zusammenhang zwischen Wassertemperatur und Legionellen Vermehrung

Durch das Einatmen von kleinsten Tröpfchen Legionellen belasteten Wassers (z. B. beim Duschen oder Händewaschen) können diese Bakterien in die menschliche Lunge gelangen und dort schwere Lungenentzündungen auslösen.
Anerkannte Soforthilfe bei Legionellen befall sind Legionellen Filter, die vor dem Duschkopf und am Wasserhahn montiert werden können. Es gibt jedoch sehr viele verschiedene Bauformen und Anbieter auf dem Markt. Es existieren Duschköpfe mit austauschbaren Kartuschen, bei denen (bei verbrauchter Kartusche) nicht gleich der ganze Duschkopf weggeworfen werden muss.
Aufgrund dieser Umstände hat der Gesetzgeber Grenzwerte für die Legionellen Belastung von Trinkwasser und regelmäßige Kontrollen zu deren Einhaltung verfügt. In unserem Haus werden diese Grenzwerte bereits seit mehreren Jahren überschritten. Als Gründe hierfür wird vermutet, dass
- die komplette Trinkwasseranlage nach den Wasserverbräuchen und Technologien der 1970er Jahre ausgelegt ist
- einzelne Wohnungen gar nicht oder nur sporadisch bewohnt werden
- es einzelne Bewohner mit dem Wasser- und Energiesparen „übertreiben“ und somit zu wenig Wasser durch deren Rohrleitungen fließt
Diese anhaltende Überschreitung der Legionellen-Grenzwerte hat das Gesundheitsamt Offenbach auf den Plan gerufen. Wenn die Überschreitung der Grenzwerte nicht abgestellt wird, droht das Gesundheitsamt der Eigentümergemeinschaft mit einem Bußgeld bis zu 25.000 € und einem Duschverbot für alle Hausbewohner.
Der von der Hausverwaltung (GBO) beauftragte Gutachter Ing. Büro Brück sieht als einzige wirkungsvolle Maßnahme einen Komplett-Austausch aller Warmwasser-Steigleitungsstränge (Insgesamt 8 Stränge über sämtliche Etagen. In allen Wohnungen müssten die Wände in den Bädern und eventuell auch Küchen geöffnet werden). Für diese Maßnahmen wird ein Kostenaufwand von min. 1,2 Mio.€ und eine Zeitdauer von 2-3 Jahren geschätzt.
Die Eigentümergemeinschaft stuft diesen Lösungsansatz für die Hausbewohner als unzumutbar ein und hat ihn bereits 2013/2014 und im Januar 2022 mit großer Mehrheit abgelehnt.
Entsprechend wurde auch die Erneuerung aller Leitungen im Keller, die als Vorbereitung dieser Maßnahme stand und sich auf Kosten in Höhe von ca. 200.000 € beliefen, ebenfalls abgelehnt.
Legionellen-Arbeitsgruppe
Stattdessen wurde im Februar 2022 eine Legionellen-Arbeitsgruppe gegründet, bestehend aus
- Jürgen Karl (Bevollmächtigter eines Wohnungseigentümers)
- Josef Stegh (Wohnungseigentümer)
- Selcuk Hökelekli (WEG Beiratsvorsitzender)
Zielsetzung
Diese Arbeitsgruppe hat sich als Ziel gesetzt, wirkungsvolle Alternativen zum beschriebenen Komplett-Austausch aller Warmwasser-Steigleitungsstränge zu ermitteln, zu bewerten und der Eigentümergemeinschaft zur Abstimmung vorzulegen.
Dieser Zwischenbericht soll einen kurzen Überblick zu den bisherigen Aktivitäten der Arbeitsgruppe geben:
- Eine Webseite für Informationen der Wohnungseigentümer ist in Arbeit
- Intensive Einarbeitung der Arbeitsgruppe in die Legionellen-Thematik und die Technologien zur Legionellen-Beseitigung ist erfolgt
- Ein vielversprechender Lösungsansatz eines Anbieters konnte ermittelt werden. Details hierzu werden weiter unten beschrieben
- Zu diesem Lösungsansatz fand eine eingehende Beschäftigung bezüglich der Anwendbarkeit auf unsere Trinkwasseranlage statt
- Eine intensive Begehung unserer Anlage wurde mit Teilen der Arbeitsgruppe, Vertretern des Anbieters, unserem Hausmeister und des Immoservice Krone durchgeführt
- Der Anbieter wird ein spezifisches Angebot für unser Haus erstellen. Gleichzeitig wird geprüft, ob es weitere Anbieter mit vergleichbarem Lösungsansatz gibt
- Die Eigentümergemeinschaft soll mittels Handouts bzw. Präsentationsunterlagen vor der nächsten Eigentümerversammlung gezielt über die zu entscheidenden Legionellen-Themen informiert werden.
- Die zuständige Sachbearbeiterin im Gesundheitsamt Offenbach wurde ermittelt und kontaktiert. Dieser Kontakt wird von beiden Seiten als sehr vielversprechend eingestuft
Bauliche Situation
Hier nun die Beschreibung des erwähntenvielversprechenden Lösungsansatzes:
Das Haus Mainstraße 121 ist aufgrund seiner Bauhöhe von 13 Stockwerken in zwei Trinkwasserbereiche eingeteilt. Nämlich einem Niederdruckbereich, der vom Erdgeschoss bis zur 7. Etage reicht und einem Hochdruckbereich von der 8. Etage bis zur 13. Etage bzw. Penthouse. Es ist logisch, dass mit zunehmender Stockwerke-Zahl die Wasserzirkulation (technisch der Volumenstrom) und die Wassertemperatur in den Steigleitungen immer geringer werden. Entsprechend befinden sich die von den Legionellen befall betroffenen Wohnungen hauptsächlich in den höheren Etagen des Niederdruck- bzw. Hochdruckbereichs. Außerdem ist der Rohrweg von der zentralen Umwälzpumpe im Keller zu jedem der 8 Steigleitungsstränge unterschiedlich lang. Durch diese baulich bedingten Sachverhalte ergibt sich in jedem Steigleitungsstrang und in jedem Stockwerk eine andere Strömungsgeschwindigkeit und eine andere Temperaturverteilung.

Abbildung 2: Bauliche Situation Warmwasser Mainstr. 121
Lösungsansatz
Genau hier ist der Ausgangspunkt für den Lösungsansatz: Durch ein intelligentes Zusammenspiel aus Überwachung und Steuerung wird eine vorgegebene und gleichmäßige Temperatur- und Strömungsverteilung in den 8 Steigleitungssträngen bis in die obersten und am meisten gefährdeten Stockwerken (7. und 13.OG) sichergestellt. Wenn sich die Temperatur und der Volumenstrom in den besonders gefährdeten Stockwerken im „Legionellen feindlichen“ Bereich befindet, dann gilt dies in jedem Fall auch in den darunter liegenden Stockwerken. Diese einzuhaltenden Temperatur- und Strömungswerte liegen dabei in dem Bereich, in dem sich Legionellen nicht mehr vermehren können, d.h. über 55°C und bei kurzer Verweilzeit des Wassers.
PAUL-System
Das Unternehmen, welches eine solche Mess- und Steuerungs-Technologie anbietet, ist
PAUL GmbH in Mannheim, https://paul-digital.de/losungen/hygiene
Wobei Paul zunächst nur ein Anbieter ist, der über ausreichend Erfahrungen mit der beschriebenen Technologie in Hochhäusern verfügt. Weitere vergleichbare Anbieter werde derzeit noch gesucht. Der Einfachheit halber wird hier zunächst nur von „Paul“ gesprochen, wohlwissend, dass es auch die Firmen „Maier, Müller oder Schulze“ sein könnten.

Sensoren
Technisch arbeitet Paul mit Sensoren, welche jeweils an den Rückläufen der 8 Warm-wasserstränge im Keller angebracht werden. Diese Sensoren ermitteln die Temperatur und die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers im betreffenden Strang und melden diese Daten an eine Steuerungs-Zentrale.
In den Zuläufen der 8 Warmwasserstränge im Keller werden elektrisch betätigte Stellventile eingebaut, welche die Durchflussmenge im betreffenden Strang ferngesteuert reduzieren oder erhöhen können.
Messdaten-Erfassung
Die Auswertung der aufgenommenen Messdaten erfolgt in der erwähnten Steuerungs-Zentrale. Von hier aus werden im Bedarfsfall auch die Regel-Impulse an die einzelnen Stellventile gesendet. Beispiel: Zeigen die Messwerte, dass in einem Strang die Wassertemperatur oder die Strömungsgeschwindigkeit zu niedrig sind, wird umgehend ein Regel-Impuls an das zugehörige Stellventil gesendet. Die Durchflussmenge und damit die Strömungsgeschwindigkeit wird so erhöht. Analog funktioniert die Reduzierung der Durchflussmenge, falls die gemessene Temperatur zu hoch sein sollte.
Software geregelt
Durch eine spezielle Software ergibt sich somit ein automatischer Mess- und Regelungsablauf, der eine kontinuierliche Steuerung der Warmwasserversorgung sicherstellt. Diese Software protokolliert und speichert auch die aufgenommenen Messwerte und ausgesendeten Regel-Impulse, so dass jederzeit der Zustand in den Leitungssträngen nachgewiesen werden kann.
Spülsystem
Ein weiteres High-Light des Paul-Systems ist die ferngesteuerte Strangspülung: Sollten die Messwerte der Strömungsgeschwindigkeit ergeben, dass sich durch Verkalkung oder Verunreinigung ein Strang langsam zusetzt, kann eine intensive Strangspülung erfolgen. Hierzu werden die Stellventile der übrigen Stränge komplett geschlossen und das Stellventil des betroffenen Stranges voll geöffnet. Gleichzeitig wird ein zentrales Spülventil geöffnet. Die komplette Durchflussmenge wird somit auf den betroffenen Strang geleitet und das sicher sehr verschmutzte Spülwasser wird direkt in die Kanalisation abgeleitet.
Kaltwasser
Optional kann ein automatischer Mess- und Regelungsablauf auch für die Kaltwasser-Versorgung installiert werden. Dies könnte notwendig werden, wenn aufgrund der nicht vorhandenen Rohrisolierungen die Kaltwasser-Temperatur den kritischen Bereich der Legionellen Vermehrung erreichen sollte (siehe Abbildung 1). In diesem Falle müssten die Entlüftungs-Einrichtungen ersetzt werden, die sich jeweils am Ende der oben genannten Niederdruck- und Hochdruckbereiche befinden, also in den Wohnungen der 7. und 13. Etage. Die dort derzeit vorhandenen Entlüftungs-Einrichtungen würden durch fernsteuerbare Stellventile ersetzt. Diese Stellventile benötigen einen Stromanschluss, der in gekachelten Bädern und Küchen nicht problemlos umzusetzen wäre. In der folgenden Abbildung 4 sind die beschriebenen Vorgänge und Einbauten schematisch dargestellt

Beurteilung
Das beschriebene Paul-System bietet somit gravierende Vorteile:
- Die Warmwasserversorgung arbeitet im ganzen Haus stets im optimalen Bereich.
- Die Installationen der Sensoren und Stellventile findet bei der Steuerung der Warmwasserversorgung ausschließlich im Keller statt. Die Wohnungen werden davon nicht tangiert.
- Im Bedarfsfall könnte der automatische Mess- und Regelungsablauf auch zu einem späteren Zeitpunkt auf die Kaltwasser-Versorgung ausgedehnt werden. Dies hätte jedoch Anpassungen in den Bädern und ggf. auch in den Küchen der Wohnungen der 7. und 13. Etage zur Folge.
- Mit dieser Lösung würde ein gewichtiger Teil der Maßnahmen aus dem Maßnahmenkatalog des Gutachtens erfüllt werden und dies zu einer nicht unerheblich geringerer Kostenbelastung für unser Haus.
- Der Einbau des Paul Systems kann von der BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Ausfuhrkontrolle) wegen Verbesserung der Energieeffizienz bis zu 20 % gefördert werden.
